Mittwoch, 13. Juli 2016

Buchrezension: Julie Cohen - Mit den Augen meiner Schwester

Julie Cohen

Mit den Augen meiner Schwester

Inhalt: 

Als Kind konnte Liza Haven es kaum erwarten, ihrem beschaulichen Heimatort Stoneguard zu entfliehen. Lange war sie schon nicht mehr dort – seit jenem schrecklichen Weihnachtsfest, als die Mutter Lizas Schwester Lee zu ihrer Nachfolgerin in der familieneigenen Eiscreme-Manufaktur bestimmte. Als Liza nun nach Jahren in Amerika nach England zurückkehrt, muss sie feststellen, dass ihre scheinbar perfekte Schwester sich aus dem Staub gemacht hat. Unbeabsichtigt schlüpft sie in Lees Rolle und erkennt, dass deren Leben nicht so leicht und sorgenfrei ist, wie sie immer angenommen hatte. Ihren kleinen Heimatort hingegen findet sie gar nicht mehr so übel – Lees festen Freund Will übrigens auch nicht. 

Rezension:


Lee und Liza sind Zwillingsschwestern, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Liza ist schon lange aus ihrem Heimatort Stoneguard weggezogen, lebt in London, ist jedoch aufgrund ihres Berufs als Stuntfrau international unterwegs und für große Filmproduktionen tätig. Zu ihrer Schwester hat sie kein inniges Verhältnis und mit ihrer Mutter hat sie sich früher so häufig gestritten, dass sie inzwischen kaum Kontakt haben.

Lee war schon als Kind die Lieblingstochter er Mutter und hat auch heute im Gegensatz zu ihrer rebellierenden Schwester Liza ein einnehmendes, warmes Wesen. 

Als Liza bei einem Stunt leichtsinnig einen Fehler begeht und einen Unfall verursacht, erhält sie keine weiteren Berufsangebote. Zeitgleich lädt ihre Schwester sie ein, an einem von ihr organisierten Wohltätigkeitsball für den Zweck der Unterstützung von Demenzkranken teilzunehmen. Ihre Mutter hatte ihnen vor anderthalb Jahren mitgeteilt, an Alzheimer erkrankt zu sein. Sie hatte sich daraufhin aus der bis dato von ihr allein geführten Eismanufaktur zurückgezogen und Lee die Geschäftsführung übertragen. 

Widerwillig, aber ohnehin arbeitslos, kehrt Liza nach Stoneguard zurück, um ihre Schwester zu besuchen. Lee ist überraschenderweise nicht zu Hause und nimmt auch nicht an dem Wohltätigkeitsball teil, was überhaupt nicht zu ihrer zuverlässigen und gewissenhaften Schwester passt. Kurzerhand schlüpft Liza in die Rolle von Lee, um wenigstens an diesem Abend einmal in ihrem Leben die liebenswürdige und von allen geschätzte Jungunternehmerin zu sein. 


Lee teilt ihr nur kurz telefonisch mit, dass sie eine Auszeit braucht und dass Liza in ihrer Abwesenheit alles für sie regeln soll. Liza übernimmt insofern die Leitung der Firma, weshalb sie sich nicht traut, sich als Liza zu outen, aus Angst nicht ernst genommen zu werden, aber auch um Lee zu schützen, die Hals über Kopf auf eine griechische Insel entflohen ist. 

Nur ihre Mutter und der attraktive Freund von Lee, Will, erkennen sie  als ihre Zwillingsschwester. 

Liza stellt schnell fest, dass das Leben ihrer Schwester nicht so leicht und angenehm ist, wie sie sich das immer vorgestellt hat. Lee hat einen voll gestopften Terminkalender und ist rund um die Uhr in der Firma beschäftigt oder kümmert sich um die kranke Mutter. Liza hatte sie immer darum beneidet, wie beliebt sie bei allen ist, aber vor Ort stellt sie erst fest, dass sie sich überhaupt nicht unbeobachtet bewegen kann. In Gewissenskonflikte gerät sie allerdings, als Will ihr immer näher kommt, sie aber ihre Schwester nicht hintergehen möchte, obwohl die Beziehung der beiden schon vor ihrer überstürzten Abreise vor dem Aus stand. 

"Mit den Augen meiner Schwester" beschreibt wie unterschiedlich selbst Zwillingsschwestern sein können und wie Lee und Liza stets in einem Kokurrenzverhältnis zu einander standen, das von der Mutter auch noch befördert wurde. Beide Schwestern machen im Verlauf des Romans eine Wandlung durch und bewegen sich so auch unbewusst auf einander zu. Zum ersten Mal ist es die sonst so liebe und zuverlässige Lee, die rebelliert, mit all ihren Gewohnheiten bricht und die Kontrolle abgibt. Liza wiederum erkennt, was Lee in ihrem Leben geleistet hat und lernt selbst Verantwortung zu übernehmen und ihren schon selbstverständlichen Egoismus abzulegen. Lee, die bisher immer selbstlos für alle anderen da war, erkennt, dass sie mehr auf sich achten muss und darf, ohne zu befürchten, die Anerkennung der Dorfbewohner oder ihrer Mutter zu verlieren.
Ich mag den Schreibstil von Julie Cohen und auch dieses Buch las sich flüssig, da man sich leicht in die Rollen der beiden Frauen hineinversetzen konnte. Es ist allerdings auch das schwächste Buch, das ich von der Autorin gelesen habe, da die Handlung ab der Hälfte des Romans vorhersehbar war und mir überraschende Wendungen gefehlt haben. Zudem hätte ich gerne noch mehr von Lee erfahren - die Erzählperspektive war aber zum überwiegenden Anteil aus Sicht von Liza gewählt.

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