Montag, 12. September 2016

Buchrezension: Daniel Glattauer - Geschenkt

Daniel Glattauer

Geschenkt



Inhalt: 

Gerold Plassek ist Journalist bei einer Gratiszeitung, und auch sonst war sein Leben bislang frei von Höhepunkten. Manuel, 14, dessen Mutter Alice für ein halbes Jahr im Ausland arbeitet, sitzt bei ihm im Büro, beobachtet ihn beim Nichtstun und ahnt nicht, dass Gerold sein Vater ist. Gerold selbst weiß es erst seit kurzem – und er hat sich von diesem Schock kaum erholt, als noch mehr Bewegung in sein Leben kommt: Nach einer von ihm verfassten Zeitungsnotiz über ein überfülltes Obdachlosenheim trifft dort eine anonyme Geldspende ein. Der Anfang einer geheimnisvollen Spendenserie, die Gerold offensichtlich mit seinem Schreiben beeinflussen kann. Langsam beginnt Gerold sich mit dem Leben zu versöhnen. 

Rezension: 

Der 43-jährige Gerold Plassek ist ein Journalist ohne Ambitionen. Er arbeitet bei der Wiener Gratis-Zeitung "Tag für Tag", wo er für die "bunten Meldungen des Tages" zuständig ist. Sein Büro teil er sich seit Kurzem nachmittags mit seinem 14-jährigen Sohn Manuel, von dem er bis dato nichts wusste. Manuel weiß zu dem Zeitpunkt nicht, bei wem ihn seine Mutter zur Hausaufgabenbetreuung untergebracht hat. Nach anfänglicher Skepsis beiderseits entwickelt sich ein enges, freundschaftliches Verhältnis zwischen Manuel und "Onkel Geri"

Die letzten Meldungen, die Gerold für "Tag für Tag" schrieb, handelten von Sozialprojekten oder von Menschen, die unschuldig in Not geraten sind. Ein anonymer Wohltäter nimmt die Meldungen zum Anlass, um jeweils 10.000 € zu spenden. Während Gerold zunächst an einen Zufall denkt, wird er spätestens dann stutzig, als auch nach seinem Wechsel zur hochwertigeren Tageszeitung "Neuzeit" als freier Journalist, weiterhin die anonymen Spenden per Kuvert versendet werden. 

Gerold, der mit seinem unaufgeregten Leben, seinem ehrgeizlosen Job und seinen regelmäßigen Feierabendbierchen in Zoltan's Bar zufrieden war, findet die Aufmerksamkeit um seine Person unangenehm. 
Manuel ist stolz auf Gerold und auch die Zahnärztin, auf die Gerold ein Auge geworfen hat, zeigt erstmals Interesse an ihm. 

Gerold Plassek ist der Antiheld des Romans, ein Alkoholiker, der nicht viel vom Leben erwartet. Als sein Sohn unerwartet in sein Leben tritt und Gerold auch noch beruflich überraschend erfolgreich ist, verändert sich Gerold auch selbst. Er übernimmt Verantwortung und empfindet sogar Spaß bei seiner Arbeit, wenn er zusammen mit Manuel an den Reportagen arbeitet. 

"Geschenkt" erinnert an das "Wunder von Braunschweig", als ein anonymer Wohltäter mindestens im Zeitraum von 2011 bis 2013 soziale und karitative Einrichtungen mit Spenden in Höhe von 10.000 € unterstützte. 
Glattauer beschreibt in seinem Roman ähnlich lautende Fälle, die finanzielle Hilfe benötigen, wie ein Obdachlosenheim, ein Hospiz für Kinder, eine tschetschenische Familie, die abgeschoben werden soll, Zahnärztinnen, die sich ehrenamtlich engagieren usw., die dem Buch den Rahmen geben. 
Viel interessanter waren für mich allerdings die Dialoge zwischen Gerold und Manuel mit unheimlichem Wortwitz sowie die Frage, wer sich hinter den Spenden verbirgt bzw. welche Verbindung zwischen dem Wohltäter und Gerold bestehen könnte. 

Die Handlung mit der Aneinanderreihung der Wohltaten hatte seine Längen, weshalb die Spannung allein durch das Rätsel um den anonymen Spender aufrechterhalten wurde. Die Entwicklung der Vater-Sohn-Beziehung war vorhersehbar und das Bezirzen der Zahnärztin für mich fehl am Platz. 
"Geschenkt" besticht für mich insbesondere durch den unverkennbaren Schreibstil von Glattauer und seinen einmaligen Wortwitz, der den Roman über die Längen rettet. 
 

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