Freitag, 20. Oktober 2017

Buchrezension: Lindsey Lee Johnson - Der gefährlichste Ort der Welt

Lindsey Lee Johnson

Der gefährlichste Ort der Welt


Inhalt: 

Als Tristan Bloch eines Morgens auf sein Fahrrad steigt und losradelt, auf die Golden Gate Bridge zu, den heißen, schweißnassen Kopf gesenkt, da ahnen wir schon, dass ihn der Verrat seiner Angebeteten, Calista, vernichtet hat. Sein Liebesbrief wurde auf Facebook gepostet, und das war ihre Schuld.

Fünf Jahre später: Kurz nach dem dramatischen Ende einer Abschlussparty betrachtet Calista, Tristans erste und letzte große Liebe, in dem Versuch, die Ereignisse zu begreifen, ein altes Klassenfoto – Tristan, lachend, in seinen unmöglichen grellgelben Trainingshosen, der sanfte Dave Chu, der durchtriebene Ryan Harbinger, Baseball-Captain und Schwarm aller Mädchen, Abigail Cress, damals noch Calistas beste Freundin, die später mit einem Lehrer anbandelte, und all die anderen, die mit dem Leben und der Liebe gespielt hatten. Ihre fröhlichen Gesichter täuschen. »Sie taten, was sie konnten, um zu überleben.«

Für einen von ihnen war Mill Valley, das verträumte reiche Städtchen über der Bucht von San Francisco, ein vermeintliches Paradies, zur Hölle geworden. Und sie, die zurückblieben, waren vom Leben gezeichnet, noch bevor es richtig begonnen hatte.


Rezension:

Im Prolog beschreibt der Schüler der achten Klasse, Tristan Bloch, sein Mill Valley für ein Geschichtsprojekt. Im nächsten Kapitel ist Tristan tot. 
Nachdem sein Liebesbrief, den er seiner Mitschülerin Calista mutig zugesteckt hatte, auf Facebook veröffentlicht wurde, stürzte sich Tristan von der Golden Gate Bridge. 

Im zweiten und dritten Teil des Romans werden Schüler der staatlichen Mittelschule in Mill Valley, die eine (Teil-)schuld an dem tragischen Suizid haben, drei bis fünf Jahre später jeweils für in Kapitel in den Fokus gerückt- 
Abigail Cress, die ehemalige beste Freundin von Calista, beginnt eine Affäre mit ihrem SAT-Lehrer, der hochbegabte Nick nutzt seine Fähigkeiten um gegen Bezahlung Referate für seine Mitschüler zu schreiben oder mit gefälschten Schülerausweisen Abschlussarbeiten abzulegen. Elisabeth ist die schöne, aber schüchterne und deshalb zu unrecht als arrogant eingeschätzte Mädchen, das im Haus ihrer Mutter eine Party gibt, die aus dem Ruder läuft, woran mitunter dieselben Teenager Ryan und Damon Schuld tragen, die Tristans Liebesbrief auf Facebook ins Lächerliche gezogen hatten. 

Mill Valley ist eine Kleinstadt in Kalifornien in der Nähe von San Francisco, die vom gut situierten weißen Mittelstand geprägt ist. So handelt es sich bei den Teenagern um verwöhnte, von den Eltern wohl behütete Kinder, die gemeinsam die Highschool besuchen, die zum "gefährlichsten Ort der Welt" wird. 
Kinder können grausam sein und so setzen sich in diesem Milieu die durchsetzungsfähigsten, selbstbewussten, einflussreichen und schönen Schüler gegen die schwächeren Außenseiter bei dem Wettbewerb um Ansehen und Macht durch. 

Auch wenn die Autorin jedes Kapitel einem/r anderen Schüler/in widmet, ist der Roman keine Sammlung von Kurzgeschichten, da die Protagonisten in der chronologischen Abfolge wiederkehren, sich aber die Perspektive ändert und die einzelnen Kapitel geschickt miteinander verknüpft sind. 
Jeder Teenager stellt dabei einen (Stereo-)typ dar, mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften und einem mehr oder minder großen Anteil am Tod von Tristan - sei es durch Unterlassen, fahrlässiges Handeln oder aktives Zutun. 

Anders als in anderen Büchern ist die Katastrophe der Ausgangspunkt des Romans und nicht das Ende. Das Cyber-Mobbing an Tristan hat nicht nur Auswirkungen auf sein persönliches Schicksal, sondern auch noch Jahre später auf die Leben der involvierten Mitschüler. Vor allem Calista quält sich lange mit einem denkbar schlechten Gewissen. 

Es ist ein moderner Roman, der einen ungewöhnlichen und spannenden Aufbau hat und der sich mit den aktuellen Problemen unsere Gesellschaft bzw. der jüngeren Generation, wie unbedachter Umgang mit Social Media, Mobbing, Alkohol, Drogen und der Oberflächlichkeit von Jugendlichen befasst, die jeden ausgrenzen, der ihren Vorstellungen nicht genügt oder der aus purer Langweile zum Opfer erhoben wird und in Misskredit gerät. 
Dabei verzichtet die Autorin auf plumpe Kritik, Schuldzuweisungen oder Verurteilungen, sondern beschreibt dies unterschwellig anhand der Biographien der einzelnen Protagonisten, die bei näherer Betrachtung oft anders sind, als sie zunächst den Anschein haben. 

"Der gefährlichste Ort der Welt" ist ein tiefgründiges Teenager-Drama, das aber keinesfalls nur für junge Erwachsen lesenswert ist. 



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